Julius Ransenberg

Lehrer, Prediger, Kantor der Jüdischen Gemeinde

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Julius Ransenberg (1864-1939)

Julius Ransenberg wurde am 29. Januar 1864 im Sauerland in einem kleinen Ort namens Calle, unweit von Meschede geboren. Er wuchs er in einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater Samuel Ransenberg verdiente den Lebensunterhalt für die Familie als fahrender Kleinhändler. 1866 und 1870/71 zog Samuel Ransenberg voller patriotischer Begeisterung  in den Krieg.

Vieles, was wir über die Persönlichkeit von Julius Ransenberg wissen, verdanken wir den Erinnnerungen seines Sohnes Günter, der sich als einziger seiner sechs Geschwister ins Exil nach Mexiko retten konnte. Dennoch fühlte er sich Zeit seines Lebens mit der alten Heimat verbunden und hielt den Kontakt zu ihr aufrecht. Günter Ransenberg starb am 30. Oktober 1995 in Puebla/Mexiko.

Umzug nach Neuwied

In der katholischen Volksschule des Dorfes Calle wurde man schon früh auf die Begabung des jungen Julius aufmerksam. Sein Lehrer empfahl den Eltern, ihren Sohn zum Lehrer ausbilden zu lassen. Dank eines Stipendiums wurde er Seminarist auf dem jüdischen Lehrerseminar zu Münster in Westfalen. Als bestallter preußischer Lehrer bekleidete er zunächst Stellen in verschiedenen kleinen Orten, eine davon in Rahden, wo er seine Frau Mathilde Ginsberg heiratete. Als er sich auf die Lehrerstelle in Neuwied bewarb, war man dort nach einem Probegottesdienst von dem Anwärter sofort überzeugt, so dass er Anfang 1889 mit Frau und Tochter Paula als neugekürter Volksschullehrer nach Neuwied zog, die  Stadt, die fortan sein Lebensmittelpunkt war, in der er sein ganzes Wirken als Prediger, Kantor und geistlicher Leiter dem Wohl seiner Gemeinde widmete. Hier kamen die Geschwister seiner Tochter Paula (geb. 23.2.1888) zur Welt: Helene (14.5.1889), Martha (27.9.1891), Irma (25.1.1893), Gertrude (14.1.1897), Ewald (8.11.1898) und Günter (20.8.1907).

Die neue Jüdische Schule

In den ersten Jahren seiner Lehrertätigkeit in Neuwied musste Julius Ransenberg mit den beengten Verhältnissen des Schullokals in einem Nebengebäude der Synagoge vorlieb nehmen, ein völlig unzureichender Raum für die fast 60 Schüler. Bei Behörden und Gemeindevorstand setzte sich Julius Ransenberg nachdrücklich für den Bau eines neuen Schulgebäudes ein und hatte schließlich Erfolg: 1893 wurde der repräsentative Backsteinbau fertiggestellt. Die Lehrerwohnung befand sich im ersten Stock, der Klassenraum im Hochparterre darunter bot Platz für bis zu 8 Schulklassen, die gleichzeitig unterrichtet wurden.

In die Freude dieser Tage mischte sich jedoch schon damals weit vorausschauend die Sorge, mit der Julius Ransenberg das antisemitische Treiben jener Zeit beobachtete. Bereits 1893 hatten diese Kräfte die ersten Sitze im Reichstag erobert. Trotz böser Vorahnungen vertraute Julius Ransenberg auf die staatliche Obrigkeit, hoffend auf Schutz und Schirm für die jüdische Bevölkerung.

Streng aber hochgeachtet

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Günter Ransenberg

In seinen Erinnerungen beschreibt Günter Ransenberg seinen Vater als strengen, wohl preußisch erzogenen Lehrer, ein Patriot voller Eifer, der mit Überzeugung am Kaiserhause hing. In den ersten Wochen und  Monaten des Ersten Weltkrieges verspürte Günter Ransenberg  eine begeisterte patriotische Siegesstimmung innerhalb der Familie, die seinen Bruder Ewald dazu bewog, sich  freiwillig zum Heer zu melden, wo er als Funker schwer verletzt mit Eisernem Kreuz und Verwundetenabzeichen ausgezeichnet wurde.

Julius Ransenberg genoss in der Stadtbevölkerung  höchstes  Ansehen. Jahrzehntelang schrieb er in der Neuwieder Zeitung über Feste und Feiern der Jüdischen Gemeinde. Zudem war er in Neuwieder Vereinen aktiv, so im damals kulturell bedeutenden Kurverein, den Julius Ransenberg zu einer Begegnungsstätte für die jüdischen Mitglieder mit Gastronomie, Tennisplätzen und Kinderspielplätzen entwickelte. Seine Mitarbeit in den jüdischen Dachorganisationen wurde sehr geschätzt. Im Kreis seiner Lehrerkollegen, den jüdischen und den  christlichen, war er hochgeachtet. Sogar noch 1934 schenkten ihm christliche Kollegen, wenn auch zaghaft, zum 70. Geburtstag einen Silberbecher.

Treue zur Heimat

Zeitlebens war Julius Ransenberg stolz darauf, staatlicher pensionsberechtiger Beamter zu sein. Jedes Angebot zum Stellungswechsel, jede finanzielle Verbesserung lehnte er ab, um bis zuletzt im Dienst der Neuwieder Synagogengemeinde zu verbleiben, bis er wegen des Verlustes seines Augenlichtes das Amt des Seelsorgers aufgeben musste. Umso schmerzlicher musste es für ihn gewesen sein mitzuerleben, wie das Nazi-Regime ab 1933 seinen Machtapparat gegen die jüdische Bevölkerung ausspielte. Die Treue zu seiner Heimat blieb jedoch ungebrochen, die Hoffnung auf bessere Zeiten wollte er nicht aufgeben. In einem  Brief von 1934 an seinen zu dieser Zeit in Köln von den Nazis inhaftierten Sohn Günter tröstet er ihn mit der Aussicht, die schwere Zeit mit Gottes Hilfe zu überstehen, schließlich habe er sich nichts Strafwürdiges oder Entehrendes vorzuwerfen. Obwohl die jüdischen Bürger einiges zu erleiden hätten, kämpfe man nicht gegen das deutsche Vaterland und seine Regierung. So wie Julius Ransenberg dachten und schrieben viele Tausende der deutschen Juden, bis die „Endlösung“ sie eines anderen belehrte.

10 Jahre lebte Julius Ransenberg nach der Beendigung seiner seelsorgerischen Tätigkeit mit seiner Familie in der Schloßstraße in einem Haus der Handwerkskammer, bis man ihn 1938 von  dort verjagte und er Zuflucht in Aachen suchen musste.

Sein Sohn Günter konstatiert: „Als man seine geliebte Synagoge in Schutt und Asche legte, brach es ihm das Herz, er starb wenig später im März 1939.“

Das Grab von Julius und Mathilde Ransenberg befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof in Niederbieber. Die Geschwister von Günter Ransenberg, Helene, Gertrude, Ewald, Martha, Irma und Paula, wurden in den KZ-Lagern Stutthof, Lublin, Izbica und Auschwitz ermordet.

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Das Grab der Familie Ransenberg auf dem Jüdischen Friedhof Niederbieber

Siehe auch: Günter Ransenberg: „Erinnerungen an die Neuwieder Synagoge“


Quelle u. Fotos

Franz Regnery: „ Jüdische Gemeinde Neuwied“, 1988 S. 370ff

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