Historische Presseartikel zur Synagoge 1844 - 1929
Artikel in der Zeitschrift “Menorah” von 1929 S. 278:
„Eine Synagoge am Rhein (1748-1928). Versteckt und eingeengt durch alte Häuschen liegt in einer der entlegensten Ecken des rheinischen
Städtchens Neuwied eine kleine Synagoge - 'Judenschul', wie es in den Gründungsurkunden heißt. Vor 180 Jahren im August 1748 wurde sie feierlich eingeweiht, nachdem nach Überwindung aller
möglichen Schwierigkeiten in acht Jahren der Bau vollendet wurde.
Das Gebäude unterscheidet sich mit seinem Vorgärtchen von außen kaum von irgend einem weltlichen in der Gegend gewohnten Landhausbau. Es verrät deutlich die Tendenz der Bauherren, den Charakter und Zweck des Baues möglichst zu verbergen, um die religiöse Toleranz des Landesherrn und der Mitbürger nicht allzu sehr auf die Probe zu stellen. Dieser Tendenz entspricht auch der Inhalt der Einweihungspredigt, die in schwungvoller Danksagung an den beschützenden Reichsgrafen von Neu-Wied gipfelt.”
Artikel in der „Allgemeinen Zeitung des Judentums”
vom 16. September 1844:
„Neuwied, 25. August. (Fr.F.). Nicht minder wird die öffentliche Aufmerksamkeit durch die gegenwärtig stattfindende feierliche Einweihung der israelitischen Synagoge in Anspruch genommen. Der gestrige und vorgestrige Tag waren ausschließlich religiösen Feierlichkeiten gewidmet, während mit dem heutigen eine Reihe von Festlichkeiten aller Art beginnen, woran dem gesamten Publikum die Teilnahme gestattet ist.
Erfreulich war es, wahrzunehmen, dass bei dem veranstalteten öffentlichen Umzuge nicht allein eine große Anzahl Christen aller Sekten und Konfessionen, die sich hier repräsentiert finden, sondern sogar viele der zur Synagoge anwesenden Deputierten teilnahmen, und in dieser Weise nicht nur einen Akt echt christlicher Toleranz, sondern wahrhaft religiöser Gesinnung betätigten. Möge Neuwied in beider Hinsicht einer größeren Nachbarstadt als Vorbild dienen!”
Artikel in der „Allgemeinen Zeitung des Judentums”
vom 9. Oktober 1883:
„Die verhängnisvolle Überschwemmung, die der Rhein wiederholt im Winter 1882/83 verursachte, hatte auch die Synagoge zu Neuwied arg verwüstet; sie musste von Grund aus restauriert werden, was die opferwillig Gemeinde unter Führung ihres energischen Vorstehers Reinach in würdigster Weise ausführte, sodass am 17. August die Wiedereinweihung der Synagoge stattfand. Die von dem Prediger und Lehrer der Gemeinde, Herrn Daniel Einstein, bei dieser Feier gehaltene Predigt samt Gebeten (Neuwied, Strüder 1883) ist im Druck erschienen. Sie geht vom Psalm 93 aus und, nachdem sie des traurigen Ereignisses, aber auch der Gottes- und Menschenhilfe gedacht, die sich in reichem Maße bewährt hat, beantwortet er in echt religiösem Sinne die Frage: Was haben wir zu tun, damit die Heiligkeit dieser Stätte bewahrt werde?”
Artikel in der Zeitschrift „Der Israelit” vom 9. Oktober 1928:
(Die Synagoge zu Neuwied.)
„In diesen Tagen jährte sich zum 180. Mal der Tag, an dem die Synagoge der israelitischen Gemeinde zu Neuwied eingeweiht wurde. Der alte Bau am Ende der Engerserstraße liegt, versteckt und eingeengt durch alte Häuschen, in einer der abgelegensten Ecken unserer Stadt.
Durch die rühmlichst bekannte religiöse Toleranz des Gründers der Stadt, des Reichsgrafen Friedrich, fanden viele Religionsgemeinschaften, die anderwärts wegen ihres Bekenntnisses Verfolgungen ausgesetzt waren, eine Heimstätte in Neuwied.
Zur Zeit der Gründung der Stadt waren aber nur einzelne Juden hier vorhanden. Erst im Jahre 1699, also 46 Jahre nach Gründung der Stadt, sind nach einem noch vorhandenen Einwohnerverzeichnis die Namen von zehn Juden aufgeführt, und in dem Verzeichnis von 1734, 81 Jahre nach der Stadtgründung, waren es 19 Namen.
Am 19. Juni 1740 dekretierte der damals regierende Reichsgraf Friedrich Alexander, dass er zum Bau eines 'Juden-Schul', wie damals die Synagoge genannt wurde, in die dazu zu veranstaltende Kollekte einzuzeichnen wünsche: 10 Stämme Holz, 200 Karren Steine, 100 Karren Sand und 2 Marx d'or bar. Als Bauplatz wies er ihnen den 'Zweiffelshof' an. Außerdem verfügte der Reichsgraf: 'und sollen 2.000 Reichsthaler, welche dazu schießen will, mit 10 pro 100 verinteressieren'.
Bevor jedoch der Bau begonnen werden konnte, mussten die Juden von Neuwied und des Dorfes Heddesdorf zu einer Gemeinde zusammengeschlossen werden, was durch das Edikt des Grafen Friedrich Alexander vom 8. Februar 1744 geschah. Als die Synagoge im Rohbau soweit fertiggestellt war, stellte es sich heraus, dass das vom Grafen gestiftete Bauholz nicht mehr vorhanden war. Der Zimmermeister Härig hatte es anderweitig verwendet (für die Herzog Arenbergsche Verwaltung).
Erst im Jahre 1748 konnte der Bau unter dem Druck des Grafen durch wiederholte Androhung von hohen Geldstrafen fertiggestellt werden, und die Einweihung erfolgte am 13. August 1748.
Die Einweihungsrede des aus Ungarn stammenden Rabbiners Lazarus Salomon ist in der hochgräflich Wiedischen Hofbuchdruckerei des Balthasar Haupt in sehr exakter Ausführung in zwei Sprachen, hebräisch und deutsch, gedruckt worden. Zwei Exemplare dieses Druckes befinden sich noch in dem Fürstlich Wiedischen Archiv. diese Predigt gipfelt hauptsächlich in den Ausdrücken höchsten Danke an das edle Grafenhaus für die Wohltaten und die Fürsorge, die es den Juden gezeigt habe.”
Joseph Geisel, Neuwied