Die Juden in Gladbach – Familie Platz

 

Albert Schwan aus dem Ortsteil Gladbach erzählt: (Er kannte die Kinder, Ehegatten und deren Abkömmlinge der Eheleute Platz außer den Töchtern in Kaisersech und Köln persönlich.)

„Ich gehe von den Eheleuten Platz aus. Die Vornamen sind mir nicht bekannt [1]. Sie wohnten in der heutigen Straße An der Marienkirche 18 / Ecke Obergasse. Sie erlebten das damals seltene Fest der Goldenen Hochzeit. Die Feier fand unter großer Anteilnahme der übrigen Dorfbewohner im Saale Kiefer statt. Der Gesangverein brachte ihnen ein Ständchen.

Aus dieser Ehe gingen drei Söhne und fünf Töchter hervor. Der Sohn Alex Platz – verheiratet, keine Kinder – übernahm vom Vater die Metzgerei im elterlichen Haus, hat bis zum Verbot geschächtet. Nach der Zwangsschließung des Geschäftes arbeitete Alex bis zur Deportation im Schwemmsteinwerk Christian Heß in der Rommersdorfer Straße. Das Haus erwarb Metzgermeister Jakob Fergen, der es nach dem Krieg an Klempner- und Installateurmeister Ewald Trautzenberg verkaufte. Dieser riss das alte, fast baufällige Haus ab und errichtete das heutige Gebäude als Geschäftshaus.

Der Sohn Moses - Viehhändler, verheiratet, zwei Söhne, Kurt und Leo - wohnte in Oberbieber, Gladbacher Straße 23. Der Sohn Julius – Viehändler, verheiratet mit Juliane, genannt Jula – war Vorbeter in der Synagoge Niederbieber, die er jeden Samstag (Sabbat) festlich gekleidet besuchte. Julius und Jula hatten zwei Söhne, Max, Jahrgang 1908, und Leo, Jahrgang 1913.

Diese Familie wohnte in der Rommersdorfer Straße 3. Leo unterhielt im elterlichen Haus ein gut florierendes Geschäft. Er verkaufte und reparierte Fahrräder des Fabrikats Goldrad und Radios des Fabrikats Saaba. Als einzige Familie ihrer Sippe übersiedelte sie nahezu zum letzten Termin nach Bogota in Kolumbien. Sohn Max heiratete dort und kehrte nach dem Krieg mit Frau, Tochter und Sohn Alexo nach Gladbach zurück. Nach seinem Tod wurde er auf dem jüdischen Friedhof in Koblenz bestattet.

Sohn Leo heiratete auch, wurde Geschäftsmann und Vater von fünf Kindern. ... Das Haus in der Rommersdorfer Straße 3 erwarben Ewald und Maria Pies. Nach deren Tod verkauften es die Kinder 2005 an Übersiedler. Die Tochter Sybille, genannt Billa, war mit Salomon (der Vorname ist mir nicht bekannt) verheiratet, keine Kinder. [2] Sie wohnten bis zum Umzug nach Heimbach-Weis in der jetzigen Straße An der Marienkirche 27.

Die Tochter Frida war verheiratet mit Julius Levi aus Altstadt bei Hachenburg, keine Kinder. Julius Levi kam schwer verwundet aus dem Ersten Weltkrieg zurück. Das Haus Sandgasse 3 wurde von Toni und Gertrud Born erworben; es ist heute im Besitz ihres Sohnes Horst Born.

Die Tochter Gina, genannt Schina, war leicht behindert, verstarb relativ früh und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Niederbieber bestattet. Die vierte Tochter (der Vorname ist mir nicht bekannt) war mit einem Pferdehändler aus dem Raum Kaisersesch verheiratet. Die fünfte Tochter (auch ihr Vorname ist mir nicht bekannt) [3] war mit einem Pferdemetzger in Köln verheiratet."

Herr Schwan erzählte außerdem, dass das Kreuz auf dem Leichenwagen bei einem jüdischen Begräbnis einfach abgeschraubt wurde. – Da die jüdischen Familien über die Westerwalddörfer weit verstreut lebten, wurde, um Werbungen zwischen den jungen Leuten zu ermöglichen, jährlich ein sogenannter „Schicksenball“ [4] abgehalten.“

 


[1] Dora Platz, geborene Salomon, geboren am 6. März 1848 in Weis und Isaac Platz, geboren am 20. Juni 1849 in Dirmerzheim
[2] Sybille Salomon, *Platz, Jhg. 1878, verh. mit Benny Salomon (Jhg. 1854), beide wurden in Izbica ermordet; sie erhielten Stolpersteine in Heimbach-Weis, Turmstraße 5.
[3] Henriette Platz geboren am 26. November 1889 in Gladbach; sie erhielt einen Stolperstein in Gladbach, An der Marienkirche 18.
[4] „Schickse“ = jiddisch „Mädchen“.

 

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