Familie Elsoffer aus Heimbach - von Nazis in den Tod geschickt

Text: Hildegard Brog, veröffentlicht in der Rhein-Zeitung Neuwied vom 27.1.1995

Die Heimbacher Verwahrschule im Jahr 1928. Herta und Edith Elsoffer (links vorne vor der Bank sitzend) mußten nach 1933 auf die „Eselsbank“ in der Ecke
Die Heimbacher Verwahrschule im Jahr 1928. Herta und Edith Elsoffer (links vorne vor der Bank sitzend) mußten nach 1933 auf die „Eselsbank“ in der Ecke

Heute vor 50 Jahren befreite die Roten Armee das KZ Auschwitz und setzte den furchtbaren Greueltaten der Nationalsozialisten dort ein Ende. Zu den Opfern des Faschismus gehörten auch 183 jüdische Einwohner aus den Stadtteilen Neuwieds, wie die Familie Elsoffer aus Heimbach. Ihr grausames Schicksal bleibt unvergessen.

Eines Morgens standen SS-Männer vor der Tür

Trotz monatelangen Terrors gab Hedwig Elsoffer die Hoffnung nie auf - Letztes Lebenszeichen kam aus dem Durchgangslager in Lodz

Max und Hedwig Elsoffer und ihre vier Kinder Edith, Herta, Egon und Heinz wohnten in Heimbach im Haus an der Ecke Hauptstraße/Flurstraße. Max hatte die Metzgerei seines Schwiegervaters Gustav Roos übernommen. Die Mädchen gingen zusammen mit ihren Heimbacher Freundinnen in den Kindergarten und in die Schule. „Herta hatte rote Haare und Edith war dunkelhaarig“, erinnerten sich ihre ehemaligen Mitschülerinnen. „Da hat doch keiner gesagt, das ist ein Jude, ein jüdisches Mädchen. Sie waren Leute wie wir auch“, erzählte eine frühere Nachbarin.

Hedwig (re.) und ihre Schwester Hanna Roos 2.v.re.)
Bevor die Nazis ihre Schreckensherrschaft in Deutschland aufbauten, konnten Hedwig (re.) und ihre Schwester Hanna Roos (2.v.re.) mit ihren Heimbacher Freundinnen noch Fassenacht feiern.

Der Naziterror beendete das bis dahin gute Zusammenleben mit der jüdischen Familie. In der Schule mußten Edith und Herta alleine auf der „Eselsbank“ sitzen und wurden von der Lehrerin nicht mehr beachtet. Die Metzgerei von Max Elsoffer ging schlecht. Der Boykottaufruf der Nazis: „Kauft nicht bei Juden!“ wird hieran nicht unschuldig gewesen sein.

Am 10. November 1938 verschlechterte sich ihre Situation dramatisch. Auf dem Schulhof erfuhren die Mädchen, was passiert war: „Edith und Herta, bei euch wird alles aus dem Fenster geworfen! Deine Mutter weint.“ Als die beiden Schwestern nach Haus wollten, bekamen sie von der Lehrerin ein paar saftige Ohrfeigen.

Das Haus verwüstet

SA-Männer waren ins Haus der Elsoffers eingedrungen, hatten die Schaufensterscheibe zerschlagen und den Hausrat auf die Straße geworfen. Tatenlos sahen viele Anwohner dieser Verwüstungsaktion zu. Ein einziger Mann half Hedwig Elsoffer, die Sachen wieder ins Haus zu tragen. Zum Erstaunen der vom Nazi-Terror verängstigten Heimbacher passierte diesem Helfer nichts.

Die alte Metzgerei von Gustav Roos in der Heimbacher Hauptstraße. Seine Tochter Hedwig (links), die Max Elsoffer heiratete, wurde später mit ihrem Mann und vier Kindern deportiert
Die alte Metzgerei von Gustav Roos in der Heimbacher Hauptstraße. Seine Tochter Hedwig (links), die Max Elsoffer heiratete, wurde später mit ihrem Mann und vier Kindern deportiert

Zusammen mit anderen Juden aus Gladbach und Engers, bei denen die SA ebenfalls alles demoliert hatten, wurde Max Elsoffer verhaftet. Aus der Logik der nationalsozialistischen Propaganda wurden die Verhaftungen so begründet: „Die Polizei sorgt dafür, daß die Juden durch Inschutzhaftnahme von irgend­welchen an sich wohl verständlichen Selbst­hilfe­maßnahmen bewahrt blieben.“ Mit anderen Worten: Sie wurden verhaftet, damit sie sich nicht wehren konnten.

Vom nächsten Tag an kamen Herta und Edith nicht mehr in die Schule. Nur noch heimlich konnte Hedwig Elsoffer ihre beste Freundin in der Nachbarschaft besuchen. Es wurde gefährlich, auf der Straße mit Juden zu sprechen.

Max Elsoffer verdiente den Lebensunterhalt fortan als Gemeindearbeiter. In dem Haus in der Hauptstraße, das ihnen nun nicht mehr gehörte, bewohnte die sechs­köpfige Familie noch zwei Zimmer. Hedwigs Schwester Johanna, die den Kaufmann Max Stern vom Kaufhaus Plaut & Daniel geheiratet hatte, war in­zwischen schon nach Amerika emigriert. Sie wollte ihre Schwester und die Familie zu sich kommen lassen. Doch Hedwig Elsoffer wollte nicht fort. Sie konnte sich nicht vorstellen, ernsthaft bedroht zu sein. „Wir sind durch das Rote Meer gekommen, dann kommen wir auch hier durch“, soll sie gesagt haben.

So nahm das grausame Schicksal seinen Lauf. Eines Morgens im Frühjahr 1942 wurde die Familie mit Ausnahme der Tochter Edith, die damals in Sayn arbeitete, abgeholt. Zusammen mit einem alten Ehepaar, das in Heimbach Platze Billa und Salomon hieß, wurde sie auf einem Leiterwagen weggebracht.

Banger Blick zurück

Zeitzeuginnen haben bis heute nicht vergessen, wie der Wagen durch die Unterbüngstraße fortfuhr, wie Hedwig zurückschaute und ihr beste Freundin dem Leiterwagen hinterherlief.

Und diese Zeitzeuginnen erinnern sich auch mit Empörung an einige sehr gehässige juden­feindliche Äußerungen einer Nachbarin.

In Neuwied wurden die Eltern sofort von ihren Kindern getrennt. Hedwig Elsoffer war 53 Jahre und ihr Mann 46 Jahre alt. Herta war damals 15, ihr Bruder Egon 10 und Heinz, der jüngste, war 8 Jahre alt. Die 16-jährige Edith Elsoffer, die in der Jacoby´schen Anstalt in Sayn arbeitete, wurde am 30. April 1942 zusammen mit vielen weiteren jüdischen Insassen dieser Anstalt in die Vernichtungslager gebracht.

Später sollen Wehrmachtssoldaten aus Heimbach Max Elsoffer noch einmal in Polen gesehen haben. Hedwig Elsoffer gelang es sogar, mehrere Briefe aus dem Durchgangslager in Lodz nach Heimbach zu schicken. Zu diesem Zeitpunkt ahnte sie, was ihr bevorstand. Dies sind die letzten Lebenszeichen dieser Familie. Wann und wo sie ums Leben kam, ist unbekannt.

Ihre Geschichte ließ sich rekonstruieren, weil die Erinnerung an die Elsoffers bei vielen Leuten in Heimbach-Weis lebendig ist. Es liegt an uns, sie auch in Zukunft nicht zu vergesssen.


Quelle: Hildegard Brog, Rhein-Zeitung Neuwied vom 27.1.1995

 

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