Jahrelang gemeinsam gefeiert und gesungen

Heimbach-Weiser Juden meist Metzger von Beruf - Vom Pogrom 1938 nicht verschont

Text: Hildegard Brog, veröffentlicht in der Rhein-Zeitung Neuwied vom 27.1.1995

Bis in die Mitte der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts war das Zusammenleben zwischen der jüdischen und der übrigen Bevölkerung in Heimbach-Weis ohne Probleme. Es gab mehrere jüdische Familien, die sich durch das Schlachten und Verkaufen von Fleisch ihren Lebensunterhalt verdienten.

Ein Zeuge erinnert sich noch an einen alten Mann, der Moses hieß und ein graues, kaftanähnliches Gewand trug. In den zwanziger Jahren schlachtete er zu Hause die Lämmchen. Er wohnte im Haus an der Ecke Hauptstraße und Oberbüngstraße, dem „Mosesweg“.

Dieser Moses Tobias wird auch im Adressbuch von Heimbach 1927 zusammen mit zwei weiteren jüdischen Metzgern namens Gottschalk Lion und Gustav Roos aufgeführt. Letzterer war der Vater von Hedwig Elsoffer

Als Gustav Roos im Mai 1935 starb, gingen viele Heimbacher wie selbstverständlich mit zur Beerdigung auf dem jüdischen Friedhof in Sayn.

Boykott ausgerufen

Nach dem Tod von Moses wurde die Metzgerei von Moritz Tobias bis in die dreißiger Jahre Weitergeführt. Schon vor 1938 wurde das Geschäft verpachtet. Ob es aus Altersgründen aufgegeben wurde oder wegen des von den Nazis ausgerufenen Boykotts jüdischer Geschäfte, ist unklar.

Man erinnert sich noch daran, daß der erste Soldat aus Heimbach, der im Ersten Weltkrieg fiel, Julius Tobias, der Sohn von Moses war. Auch Hermann und Julius Lion sind, wie die Tafeln am Kriegerdenkmal vermerken, in diesem Krieg gefallen.

Die jüdischen Familien waren in Heimbach-Weis integriert. Was beweist dies besser als ihre Mitgliedschaft in den Vereinen. In den Mitgliedslisten der Weiser Karnevalsgesellschaft von 1885-87 ist Jakob Lion eingetragen. 1900 war Moritz Tobias Mitglied der Heimbacher KG. Auch im Gesangverein Concordia befinden sich 1880 Jakob Abraham und Moses Tobias unter den Sängern.

Bei den Pogromen vom November 1938 wurden auch die jüdischen Familien in Heimbach-Weis nicht verschont. Es wird erzählt, daß auch im Haus von Moritz Tobias, der mit seiner Frau an diesem Tag nicht zu Hause war, die Scheiben eingeschlagen wurden.

Hausrat auf die Straße

Auch in der Turmstraße bei „Platze Billa und Salomon“ flog der Hausrat aus dem Fenster. Dort seien sogar die Einmachgläser auf die Straße geworfen worden. „Die waren so arm, die hatten doch gar nichts! Das mußte doch nicht sein“, kommentierten Augenzeugen diesen Gewaltakt.

Von der jüdischen Bevölkerung aus Heimbach-Weis hat niemand die Nazi-Zeit überlebt. Wir dürfen ihr Schicksal niemals vergessen.


Quelle: Hildegard Brog, Rhein-Zeitung Neuwied vom 27.1.1995

 

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